Prosa 2

aus:

Schweigen

.....Schweigen. Als Antwort auf das Falsche.

Der Eispalast, in dem die Mutter lebte, der Eispalast, riesig, strahlend, besetzt mit Rauhreif aus winzigen, kristallinen Schweigekristallen.

Schweigestunden, Schweigetage, über die der Wind des Zorns fegte, wie über weite Felder.

Exerzitien des Schweigens. Ein Schweigeraum zwischen ihr und mir.

Ein Tunnel, ganz aus Schweigen gebaut, im Innern dunkel, schmal, lang, endlos. Ich im Tunnel, du in deinem Eispalast, draußen, im Hellen, strahlend, fern, schön.

Der Schweigeraum als Dunkelkammer, in dem sich die Bilder entwickelten, die Aha-Bilder, die So-ist-das-also-Bilder, die Na-wenn-das-so-ist-Bilder. Bilder des Erkennens. Bilder des Erkennungsdienstes. Bilder der Verzweiflung.

Ich sitze in meiner Küche, den Hörer am Ohr, am Kinn. Die Küche ist angefüllt mit Schweigen, randvoll mit Schweigen , zum Platzen voll. Gleich wird etwas platzen. Die Muschel wird platzen, das sickernde Schweigen wird vollends austreten, Gift wird den Raum füllen, geruchfreies, gefährliches Schweigegift.

Wie ich vor dem Telefon saß, damals, es ist schon viele Jahre her. Wartend, vor dem schweigenden Telefon – sie strafte mich, sie war weg und rief nicht an.

Endlos dehnte sich der Raum zwischen uns, endlos wie ein Tunnel, der dunkle, endlose Schweigekanal, den ich durchqueren sollte, den ich durchqueren wollte. Aber mit welchen Kräften? Mit den Kräften des Richtigen. Natürlich! Aber was war das Richtige?

Die Tage vergingen damals mit Warten, waren zerdehnt durch Warten, du warst weg.
Du warst so zart wie eine Eisblume.
Wie eine Eisblume.

Ich rief dich an, tausendmal rief ich an, ich überschüttete dich mit Anrufen, alle Nummern wählte ich durch, all deine Nummern, ich wollte dich erreichen, nur dich, unbedingt dich erreichen.
Bitte ruf mich an, sagte ich. Ich bitte dich! Ich warte auf deinen Anruf. Hörst du?
Ich sprach auf dein Band. Viele Male.
Keine Reaktion. Lange Zeit.
Dann hast du dich wieder gemeldet, plötzlich, unerwartet.
Ich bin wieder da, sagte deine Stimme auf meinem Band. Ruf mich doch an, ja?
So, als sei nichts gewesen!
Und ich rief an. Natürlich rief ich an.
Wie lange ist das schon her?
Viele Jahre.

Ich schaue auf die Uhr. Fast dreißig Minuten.
Was ist das zwischen zwei Menschen?
Sie bewegen sich aufeinander zu, stockend, stolpernd oder rasend, dann tanzen sie, eng, ineinander verschlungen, dann entgleiten sie sich, entfernen sich voneinander, vergessen den Tanz, geraten ins Stolpern, ins Laufen und ziehen weiter, allein.

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Freizeichen.
Er hat aufgelegt. Einfach aufgelegt.
Einfach so.
Jetzt lege ich auf.
Gibs auf.
Frei. Einfach so. Frei.
Vollgepumpt mit Kaffee. Brennen im Ohr, das Kinn.
Vergiß es.
Nein!
Doch.
Vielleicht......
Was denn noch?
Kein Wort mehr. Hörst du?
Verstanden ?
Ha !
Vergiß es! Gibs auf! Vergessen und vergeben.
Er hätte noch.....
Ich hätte noch.......
Was denn?
Noch?
Also dann!
Freizeichen.
Freie Bahn. Tun und Lassen.
Was ich will.
Bahn frei!
Mein eigenes Wort nicht!
Endlich! Wenn ich bitten darf! Ruhe!
Bitte. Bitte nicht! So laut.
Und wenn er ? Wenn er wieder das Spiel? Wieder beginnt?
Nein! Kein Spiel mehr!
Nein, nein, nein!
Laß mich in Ruhe! Laß mich! Endlich!
Still! Kein Lärm.
Nichts

 

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